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70 Jahre Volksaufstand in der DDR: Der Rückblick auf die Ereignisse

Die Deutsche Demokratische Republik war noch jung an Jahren, doch der 17. Juni 1953 sollte prägend für das Land und auch die Bundesrepublik Deutschland werden. Landesweit gab es in der DDR einen Volksaufstand, der sich schon Tage zuvor anbahnte, dann aber mit voller Härte von der Regierung sowie dem Militär der Sowjetunion niedergeschlagen wurde. Schon kurz danach war vielen Menschen bewusst, wie bedeutend dieser Aufstand gewesen ist, der auch viele Jahre später noch in Erinnerung bleibt. Lange Zeit war der 17. Juni in der Bundesrepublik der Tag der deutschen Einheit und wurde erst 1990 nach der tatsächlichen Wiedervereinigung vom 3. Oktober abgelöst. Die Geschehnisse vor siebzig Jahren hatten weitreichende Folgen, die unter anderem darin bestanden, dass die DDR stärker darauf zusteuerte, ein Überwachungsstaat zu werden. In diesem Artikel gibt es einen Rückblick auf die Ereignisse.

Die Situation der noch jungen DDR

1945 endete der Zweite Weltkrieg. Viele deutsche Städte liegen in Trümmern, die Bevölkerung leidet Hunger, die Siegermächte teilen das Land in vier Besatzungszonen auf. Die Briten übernehmen den Nordwesten, die Franzosen den Südwesten und die US-Amerikaner den Südosten. Der Nordosten des Landes wird von der Sowjetunion besetzt, in Berlin sind alle vier Siegermächte vor Ort. Das war der Beginn der Teilung Deutschlands, denn in den drei westlichen Zonen werden freie demokratische Wahlen veranstaltet, womit am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verankert wird und die Bundesrepublik entsteht. Im Osten des Landes entsteht dagegen die DDR – die Deutsche Demokratische Republik.

Die Grenzzone in der DDR

Obschon im Namen die Demokratie steckt, gibt es in der DDR keine freien Wahlen, nicht einmal eine Opposition. Als von der Sowjetunion abhängiger Staat wird die DDR eine Diktatur, in der die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die Macht hat. Auch Berlin wird geteilt. Der Osten der Stadt wird zur Hauptstadt der DDR. Schon mit dem Beginn des neuen Staates gibt es große Probleme. Es müssen Reparationszahlungen an die Sowjetunion geleistet werden, die sich stark auf die Wirtschaft auswirken. Im Sommer 1952 beschließt man, den Sozialismus einzuführen. Damit beginnt der Prozess, dass Betriebe verstaatlicht werden und die Macht stärker zentralisiert wird.

Normenerhöhung sorgt für Unmut

Während der Staat immer weiter sozialistisch wird, grenzt man sich auch stärker von der Bundesrepublik ab. Schon früh beginnt die Unzufriedenheit zu steigen. Immer mehr Menschen verlassen die DDR, worauf es zum Arbeitskräftemangel kommt. Die Führung beschließt, die Arbeitsnormen zu erhöhen. Darin ist festgelegt, wie viel Arbeitsleistung ein Arbeiter innerhalb einer bestimmten Zeit schaffen muss. Es muss mehr Arbeit geleistet werden, doch der Lohn bleibt gleich. Die Unzufriedenheit der Arbeiter steigt, woran auch die Rücknahme des Beschlusses am 16. Juni nicht mehr viel ändern kann. Im Juni wandelt sich der Unmut in offenen Protest. Es werden Streiks durchgeführt.

Schon am 15. und 16. Juni kommt es zu Streiks in Berlin. Zunächst wendet sich der Protest gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen und die Bedingungen, die von der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft ausgehen. Alsbald kritisieren viele aber auch offen die Politik der DDR und man fordert nicht nur freie Wahlen, sondern auch den Zusammenschluss mit der BRD zur deutschen Einheit. Am 17. Juni 1953 erreichen die Streiks ihren Höhepunkt, in mehreren hundert Städten und Gemeinden in der DDR wird demonstriert. Viele Menschen legen die Arbeit nieder und treten aus der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft aus. Bald werden die Demonstrationen gewalttätig.

Der Volksaufstand und die Reaktion darauf

In verschiedenen Städten werden Polizeidienststellen, Haftanstalten und Stadtverwaltungen gestürmt. Nicht nur werden Einrichtungen ruiniert, auch werden Bedienstete des Staates verprügelt. Es kommt im Anschluss zu Zusammenstößen zwischen Teilnehmern der Demonstrationen und der Polizei. Es kommt auch zu Schüssen, doch die Polizei kann die Lage nicht unter Kontrolle bringen. Ungefähr zur Mittagszeit beginnt die sowjetische Union damit, die Demonstrationen niederzuschlagen. In Berlin sind Panzer auf den Straßen unterwegs. Während der Rundfunk im amerikanischen Sektor über die Aufstände berichtet, gibt es keine Berichte dazu in den Medien der DDR.

Der Aufstand wird niedergeschlagen, in großen Teilen des Landes wird der Ausnahmezustand ausgerufen. Damit gilt wieder Kriegsrecht, die Sowjetunion übernimmt erneut die Kontrolle. Nicht nur Versammlungen und Demonstrationen werden verboten, es wird auch eine Ausgangssperre verhängt, die zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens gilt. Bis Ende Juni wird in vielen Bereichen der Ausnahmezustand aufgehoben, in manchen Städten bleibt er bis Mitte Juli bestehen. Damit sind die Ereignisse vom 17. Juni endgültig vorbei, doch die Nachwirkungen werden noch Jahrzehnte später zu spüren sein.

Bilanz des 17. Juni 1953

Insgesamt 55 Menschen kommen am 17. Juni und an den Tagen danach ums Leben. Es gibt auch noch weitere Todesfälle, bei denen aber nicht sicher ist, ob sie unmittelbar mit den Ereignissen des Tages in Zusammenhang stehen. Viele Demonstranten werden erschossen, aber genauso trifft es auch neutrale Passanten. Sieben Menschen werden zum Tode verurteilt, vier weitere sterben während der Haft. Auch fünf Personen der Sicherheitsorgane kommen durch die Ereignisse ums Leben. Bei den Todesopfern handelt es sich nur um die direkten Folgen der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstandes, die offensichtlich waren. Darüber hinaus markierte es auch den Beginn des zukünftigen Überwachungsstaates.

Mehr als 10.000 Menschen werden in den kommenden Wochen festgenommen und vor Gerichte der DDR oder Militärtribunale der Sowjetunion gestellt. Rund 1.800 Menschen werden in den nächsten zwei Jahren verurteilt und müssen ins Gefängnis oder ins Zwangsarbeitslager. Menschen werden unter Druck gesetzt, was soziale und wirtschaftliche Folgen hat. Der Staat beginnt, seine Struktur stärker auf die Überwachung umzubauen, zudem steigt die militärische Präsenz. Die DDR wird damit zu dem Staat, der rund acht Jahre später die Mauer baut, die die Teilung Deutschlands noch stärker zementiert. Was für die Menschen bei den Demonstrationen zu mehr Freiheit führen sollte, verkehrt sich bald ins Gegenteil.

Fazit zu 70 Jahre Volksaufstand in der DDR

Fazit zu 70 Jahre Volksaufstand in der DDR Im Westen wurde schon kurz nach dem 17. Juni 1953 eben genau dieses Datum zum Tag der deutschen Einheit ernannt. Das änderte sich mit dem 3. Oktober 1990 und der Wiedervereinigung. Diese beiden Daten können als Gegenstücke gesehen werden, dazwischen liegen die Teilung Deutschlands und der Überwachungsstaat der DDR. 1953 wurden die Aufstände brutal niedergeschlagen, es folgten tiefe Einschnitte in das Leben der Menschen, an freie Wahlen war nicht mehr zu denken. 37 Jahre später sollte dann gelingen, was den Menschen 1953 noch verwehrt geblieben ist. Der friedliche Weg zu einer echten Demokratie.

Karl-Heinz Merten

Ich bin Kolumnist und Autor für Finanzen, Wirtschaft, Wissen und schreibe mit Haltung, aber ohne Scheuklappen. Kolumnen sind für mich kein Ort für Parolen, sondern für Perspektiven mit Tiefe. Geschichte verstehe ich nicht als staubige Erinnerung, sondern als lebendigen Rahmen unserer Gegenwart. Politik interessiert mich dort, wo sie den Alltag der Menschen berührt. Mein journalistischer Weg begann in einer kleinen Lokalredaktion und führte mich über Stationen in Bonn und Hamburg schließlich nach Berlin. Nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Köln sowie einer Ausbildung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe ich mich kontinuierlich weitergebildet, unter anderem in politischer Kommunikation, Medienethik und wirtschaftlichem Fachjournalismus. Besonders faszinieren mich die Schnittstellen von Politik, Wirtschaft und gesellschaftlicher Entwicklung. Ich schreibe nicht, um zu gefallen, sondern um Orientierung zu geben, gedruckt und digital. Bei Die Mark Online greife ich regelmäßig aktuelle Themen auf, die nach Einordnung verlangen.

"Journalismus heißt für mich: zuhören, verstehen, einordnen – nicht nachplappern." Karl-Heinz Merten

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