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Agenda 2010 – Montagsdemos bereits 20 Jahre her

Wer schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, der wird sich an den Begriff der “Agenda 2010” erinnern. Dabei handelt es sich um ein Reformkonzept, das zwischen 2003 und 2005 von der damaligen Regierung Rot-Grün unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder umgesetzt wurde. Die Reformen betrafen vor allem das Sozialsystem und den Arbeitsmarkt. Allerdings kamen diese Änderungen nicht bei allen Menschen gut an, sodass sich schnell kritische Stimmen anhäuften, die schließlich auch in Protesten mündeten. Dabei handelte es sich um Montagsdemonstrationen, die alsbald in vielen Städten in ganz Deutschland durchgeführt wurden. Allerdings waren auch die Demonstrationen nicht unumstritten. Besonders der Begriff der Montagsdemos führte zu viel Kritik, da Parallelen zu den Demos der DDR von 1989 gezogen wurden. Den Rückblick auf diese Ereignisse von damals gibt es in diesem Artikel.

Die Ausgangslage 2003

Die Ausgangslage 2003 Es herrschte damals große Einigkeit darüber, dass sich etwas am Arbeitsmarkt ändern müsste. Die Arbeitslosenzahlen waren hoch und der demografische Wandel sorgte für Kopfzerbrechen. Unter der damaligen rot-grünen Regierung kam es zur Agenda 2010, die auch von der CDU/CSU mitgetragen wurde, womit sich viele Änderungen vollzogen. Unter anderem wurden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammen zu Arbeitslosengeld II, was allgemein als Hartz IV bekannt wurde. Aufgrund der Maßnahmen entstand bei vielen Menschen eine große Unzufriedenheit. Die Reform wurde als Sozialabbau bezeichnet, ohne die Notwendigkeiten zu erkennen, da das bisherige System so nicht weitergetragen werden konnte.

Demos vor 20 Jahren am Montag

Die Unzufriedenheit wuchs, sodass 2003 vereinzelt erste Demonstrationen durchgeführt wurden. Spätestens ab März 2004 wurden sie größer. Vor allem in Leipzig gab es größere Proteste gegen die geplanten Reformen. Zum Herbst des Jahres erreichten die Demos ihren Höhepunkt. In ganz Deutschland gingen mehr als 200.000 Menschen in über 200 Städten auf die Straßen und äußerten ihren Unmut. Organisiert wurden diese Demos oftmals von lokalen Aktionsbündnissen, hinter denen auch Parteien und Gewerkschaften standen. Leider gab es auch in manchen Fällen die Beteiligung von Rechtsextremisten, auch wenn die Veranstalter das ablehnten.

Auch die Marxistisch-Lenistische Partei Deutschlands versuchte auf den Zug der Proteste mit aufzuspringen und diesen ihren Stempel aufzudrücken. Das gelang allerdings nicht und führte innerhalb der Bewegung zu vielen Konflikten. Diese unterschiedlichen Strömungen könnten auch der Grund gewesen sein, warum die Demonstrationen schon ab Oktober 2004 wieder nachließen und langsam ganz aufhörten. Allerdings blieb die Kritik an der Agenda 2010 bestehen und sorgte 2005 dafür, dass die Regierung abgewählt und in der Folge Angela Merkel erstmals zur Kanzlerin gewählt wurde.

Kritik an der Bezeichnung “Montagsdemos”

Kritik an der Bezeichnung “Montagsdemos” Auch wenn die Proteste viele Anhänger hatten, so gab es doch auch Kritik daran. Diese befasste sich in erster Linie mit dem Begriff der Montagsdemonstrationen. Das war zwar faktisch richtig, doch es wurde darauf hingewiesen, dass damit die Montagsdemonstrationen von 1989 entwertet werden, die schließlich zur friedlichen Revolution in der DDR geführt haben. Es gab auch Befürworter der Proteste, die den Begriff aber als unangebracht ablehnten. Auf der anderen Seite gab es aber auch explizit Fürsprecher, die grundsätzlich in dem Begriff einen Ausdruck der Demokratie sahen und es im Kern nicht darum gehen dürfe, um welches Thema es sich handelt.

Die Agenda 2010

1998 wurde Gerhard Schröder Bundeskanzler und löste damit Helmut Kohl ab. 2002 konnte er erneut gewählt werden und wollte gemeinsam mit den grünen Regierungspartnern die Agenda 2010 umsetzen. Auch in den eigenen Reihen gab es dazu Kritik, die auch dazu führte, dass Oskar Lafontaine, der schon einige Jahre starker Kritiker der Regierung war, endgültig aus der SPD austrat. Die Agenda 2010 wurde damals allerdings nicht allein von großen Teilen Rot-Grün getragen, sondern auch von der CDU/CSU, was in vielen Debatten unerwähnt blieb. Viele Experten sind sich einig, dass eine Reform des Arbeits- und Sozialmarkts dringend notwendig gewesen ist und die Agenda 2010 durchaus positive Auswirkungen hatte.

Um die Probleme des Arbeitsmarktes in den Griff zu bekommen und sich auf den demografischen Wandel einzustellen, wurde der Sozialstaat, wie man ihn damals kannte, massiv umgebaut. Unter anderem in Form von Leistungskürzungen, die konkret durch Hartz IV (Arbeitslosengeld II) umgesetzt wurden. Darin vereinigten sich die bisherige Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Ferner wurde die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gekürzt, der Kündigungsschutz gelockert und die Zumutbarkeitsregeln angepasst, wenn es um Jobangebote ging. Genau solche Maßnahmen brachten der Agenda 2010 die Kritik ein, dass es sich um Sozialabbau handeln würde. Für viele ist das ein markanter Wendepunkt in der Geschichte der SPD, die mit den Maßnahmen viel stärkeres Gewicht auf die Eigenverantwortung legte.

Fazit zu den Montagsdemos

Fazit zu den Montagsdemos In den letzten Jahren sind im Zuge von Corona ähnliche Demonstrationen aufgekommen, doch Montagsdemos gibt es schon viel länger. Wenn von Montagsdemos gesprochen wird, dann meist mit Bezug auf die DDR 1989. Doch 2004 kam es zu anderen Protesten, die auch diesen Namen bekamen, wobei es dabei um die Agenda 2010 ging. Diese wurde als starker Sozialabbau kritisiert, was für einige Monate dazu führte, dass Tausende von Menschen in Deutschland auf die Straßen gingen und dagegen protestierten. Inhaltlich konnten sie zwar wenig bewegen, doch 2005 kam es dann zur Wahl von Angela Merkel als neue Bundeskanzlerin, die damit Gerhard Schröder ablöste und schließlich bis 2021 regieren sollte.

Karl-Heinz Merten

Ich bin Kolumnist und Autor für Finanzen, Wirtschaft, Wissen und schreibe mit Haltung, aber ohne Scheuklappen. Kolumnen sind für mich kein Ort für Parolen, sondern für Perspektiven mit Tiefe. Geschichte verstehe ich nicht als staubige Erinnerung, sondern als lebendigen Rahmen unserer Gegenwart. Politik interessiert mich dort, wo sie den Alltag der Menschen berührt. Mein journalistischer Weg begann in einer kleinen Lokalredaktion und führte mich über Stationen in Bonn und Hamburg schließlich nach Berlin. Nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Köln sowie einer Ausbildung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe ich mich kontinuierlich weitergebildet, unter anderem in politischer Kommunikation, Medienethik und wirtschaftlichem Fachjournalismus. Besonders faszinieren mich die Schnittstellen von Politik, Wirtschaft und gesellschaftlicher Entwicklung. Ich schreibe nicht, um zu gefallen, sondern um Orientierung zu geben, gedruckt und digital. Bei Die Mark Online greife ich regelmäßig aktuelle Themen auf, die nach Einordnung verlangen.

"Journalismus heißt für mich: zuhören, verstehen, einordnen – nicht nachplappern." Karl-Heinz Merten

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